B.H.W. Queere Häftlinge im KZ-Melk
Schwerpunkt 2024 in der Reihe "Beleuchten. Hinsehen. Würdigen."
Das Projekt BELEUCHTEN. HINSEHEN. WÜRDIGEN des Vereins MERKwürdig – Zeithistorisches Zentrum Melk widmet sich 2024 in Kooperation mit QWIEN – Zentrum für queere Geschichte dem Thema Queere Häftlinge im KZ Melk.
Das Projekt BELEUCHTEN. HINSEHEN. WÜRDIGEN. widmet sich verschiedensten Menschen(gruppen), die in der NS-Zeit verfolgt und/oder ermordet wurden. Dabei wird der Fokus nicht (nur) auf die von den Nationalsozialisten konstruierten Kategorien gelegt, sondern es werden Menschengruppen anhand anderer Gemeinsamkeiten betrachtet. Zentral ist dabei auch die enge Verwobenheit des Gedenkens an die Opfer des NS-Zeit mit dem Herstellen von Gegenwartsbezügen. Im Projekt soll durch die Auswahl einer Gruppe – also das BELEUCHTEN eines Themas – dazu beigetragen werden, bisher wenig Beachtetes sichtbar(er) zur machen. In einem zweiten Schritt, dem bewussten HINSEHEN, setzen sich Mitarbeiter*innen des Vereins MERKwürdig mit diesem Thema gemeinsam mit Kooperationspartner*innen auseinander. So möchten wir im abschließenden Schritt dazu beitragen, verfolgten und ermordeten Menschen der NS-Zeit in einer reflexiven Beschäftigung ihr Menschsein ein Stück weit zurückzugeben und sie zu WÜRDIGEN.
Das Projekt
Der Gedenkverein MERKwürdig - Zeithistorisches Zentrum Melk sieht als seine Primäraufgabe das Erinnern an die Opfer des KZ-Außenlagers Melk und an alle Menschen(gruppen) der Region, die in der NS-Zeit verfolgt oder ermordet wurden. Dabei geht es um ein lebendiges Gedenken an alle Menschen, die in der NS-Zeit aus rassistischen Gründen, wegen ihrer Religion oder Weltsicht, politischen Einstellung, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität, psychischen Erkrankung, Behinderung(en) oder ihres Lebensstils willkürlich vertrieben, verfolgt, gequält und/oder durch direkte oder strukturelle Gewalt ermordet wurden. Der Verein bekennt sich zur Gleichheit aller Menschen mit Berücksichtigung von Vielfalt, womit die Anerkennung und Wertschätzung der Einzigartigkeit jedes Menschen ebenso gemeint sind, wie die Wahrung der Würde, gleichberechtigter Teilhabe und gleicher Rechte für alle Menschen. Mehr zu unserer Positionierung siehe in unserem Mission Statement.
Der Schwerpunkt des Projekts liegt 2024 auf dem Thema Queere Häftlinge im KZ Melk. Dieses wird in Kooperation mit QWIEN – Zentrum für queere Geschichte durchgeführt. Die Auseinandersetzung im Rahmen des Projekts erfolgt dabei in drei Schritten:
Durch Beleuchten des bisher wenig beachteten Themas queerer Häftlinge im KZ Melk soll dazu beigetragen werden, diese sichtbar zu machen.
Durch ein Hinsehen, in Form einer intensiven Auseinandersetzung, sollen drei Arbeitsbereiche zum Tragen kommen.
Zum Ersten die Forschung, die sich der zeithistorischen Erarbeitung von Biographien der in Melk als homosexuell verfolgten Menschen widmet und durch bildungswissenschaftliche Reflexion einer unserer Mitarbeiterinnen im Rahmen eines Wissenschaftspraktikums an der Universität Wien ergänzt wird.
Der zweite Bereich umfasst die Vermittlung, die einen Vermittlungsrundgang am Areal des ehemaligen KZ Melk (12. Oktober 2024), eine Projektpräsentation und Filmvorführung (24. Oktober 2024), das Erstellen dieser Broschüre und die Kommunikation auf den Social-Media-Kanälen des Vereins umfasste.
Der dritte Bereich im Schritt des Hinsehens widmet sich dem Gedenken und hat in Form eines Gedenkaktes in der KZ-Gedenkstätte Melk mit der Einweihung eines dauerhaften Gedenkzeichens seine Erfüllung gefunden (12. Oktober 2024).
Im Anschluss an diese Auseinandersetzung folgte der Schritt des Würdigens, der in der Bearbeitung an sich, vor allem aber im Gedenkakt und -zeichen an der KZ-Gedenkstätte zum Ausdruck kommt.
Projektgenese (Auszug aus der Broschüre)
Anlässlich des Pride-Monats im Juni 2023 haben Mitarbeiter*innen des Vereins MERKwürdig - Zeithistorisches Zentrum Melk ein erstes Zeichen für alle Opfer der LGBTQI*-Community des KZ Melk in Form einer Progress-Pride Flagge an der Wand des Gedenkraumes der KZ-Gedenkstätte Melk gesetzt. Die Pride-Fahne soll dort für die Vielfalt unter den gequälten und ermordeten Opfern des KZ-Melk und der NS-Zeit stehen, insbesondere aber an queere Opfer erinnern. Über den Pride-Monat hinaus sollte diese als Erinnerungszeichen für alle queeren KZ-Häftlinge in Melk verbleiben, um allen Menschen zu gedenken, die in der NS-Zeit aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität verfolgt und/oder ermordet wurden. Wiederholt kam es an der KZ-Gedenkstätte jedoch zu Vandalismus. Noch im Juni 2023 wurde die Fahne zwei Mal von Unbekannten abgerissen, im Frühjahr 2024 wurde die Fahne neuerlich mehrmals entfernt, und die von Schüler*innen spontan darunter angebrachten Regenbogen-Sticker abgekratzt. All diese Vorfälle wurden vom Verein zur Anzeige gebracht und werden seither im Rahmen von Vermittlungsrundgängen der KZ-Gedenkstätte Melk-Mauthausen mit Schüler*innen am ehemaligen Areal des KZ Melk thematisiert. Die Fahne wird dabei von Vermittler*innen, den Besucher*innen oder Mitarbeiter*innen des Zeithistorischen Zentrums immer wieder aufs Neue angebracht. Die häufige Entwendung zeigt, wie umkämpft das Gedenken an queere Opfer bzw. das Symbol der Pride-Flagge ist und wie aktuell und notwendig das Thema einer Bearbeitung bedarf.
Kontinuierlicher Gedenkakt und beständiges Gedenkzeichen an der KZ-Gedenkstätte
Bei der Entwicklung eines Gedenkzeichens in der KZ-Gedenkstätte Melk wollten mehrere Ebenen des Projekts mitgedacht werden, nicht zuletzt da der abschließende Schritt des Projekts – das Würdigen – zentral in diesem zum Ausdruck kommt.
Zuallererst sollte der Genese des Projekts Rechnung getragen werden. Das bewegliche, leicht zu entfernende Zeichen der Pride-Fahne sollte nach den zahlreichen Entwendungen durch ein fixes, beständiges Gedenkzeichen ersetzt werden.
Als schwieriger umzusetzen, gestaltete sich der Wunsch, beide Ebenen des Projekts in einem Gedenkzeichen zu vereinen. Zum einen den Kampf, das Gedenken an queere Menschen zu thematisieren, der offensichtlich bis ins heute reicht, zum anderen das konkrete Gedenken für die im KZ Melk als homosexuell verfolgten „rosa Winkel“-Häftlinge manifest werden zu lassen. Nach reiflicher Überlegung entstand nun die Idee zu einem beständigen Gedenkzeichen und einem kontinuierlichen Gedenkakt.
Das Gedenkzeichen – gefertigt aus Aluminium – robust, einfach und klar in seiner Aussage soll an all jene Menschen erinnern, die im KZ Melk als homosexuell verfolgt und ermordet wurden. Die verfolgte Gruppe, für die bisher nicht gedacht wurde, soll darin im Zentrum stehen. Es ist in seiner Ausführung bewusst beständig gehalten. Bei der Erarbeitung des Textes wurden zahlreiche, bereits bestehende Gedenkzeichen an Gedenkstätten in die Überlegungen miteinbezogen.
Gleichzeitig – und das trägt sowohl der Genese des Projekts als auch dem Titel des Projekts Rechnung – soll das beweglichere, verletzliche und zugleich (in den letzten Jahren vermehrt) stark politisierte Zeichen der Pride-Flagge beim Gedenkakt erneut angebracht werden. Damit soll der aktuelle Kampf um das Recht auf Gedenken an queere Menschen, der in den vergangenen Monaten auch auf der KZ-Gedenkstätte in Form von wiederholtem Vandalismus ausgetragen wurde, symbolisiert werden. Der Gedenkakt soll insofern kontinuierlich sein, als dass auch für die Vermittlung am Ort – die großteils durch Vermittler*innen der KZ-Gedenkstätte Melk erfolgt – ein Handout erarbeitet wurde, das den Guides das nötige Rüstzeug zur Vermittlung des Themas an die Hand geben soll. Darin wird dargelegt, wie damit umgegangen werden kann, falls die Flagge erneut entwendet wird. Die Vermittler*innen bekommen Zugang zu Pride Flags, die sie bei Bedarf gemeinsam mit den Besucher*innen wieder im Gedenkraum anbringen können. Dadurch kann das umkämpfte Erinnern an der KZ-Gedenkstätte in einem kontinuierlichen Gedenkakt thematisiert werden und die im Vermittlungskonzept (Angerer 2016) gewünschte Verbindung von Ort, Geschichte und Besucher*innen erreicht werden. Optional kann im Anschluss ein kurzer Gedenkakt für die queeren Opfer des KZ Melk stattfinden, der in jener partizipativen Form angelegt werden kann, wie auch die Rundgänge an der KZ-Gedenkstätte durchgeführt werden, nämlich unter Einbezug der jeweiligen Besucher*innengruppe, z. B. in Form eine Gedenkminute vor der Tafel oder durch das Suchen von Namen queerer Opfer auf der Wand der Namen etc.
Mit diesen beiden Ebenen, die sich in beständigen Gedenkzeichen und einem kontinuierlichen Gedenkakt zeigen, möchten die Initiator*innen QWIEN und Verein MERKwürdig einerseits einer speziellen Opfergruppe des KZ Melk gedenken und andererseits einen Gegenwartsbezug herstellen, der nicht etwa konstruiert und als an die Gedenkstätte verlagert zu verstehen ist, sondern der den Verantwortlichen durch die häufige Entfernung und/oder Zerstörung der Flagge beinahe aufgezwungen wurde. Denn daran zeigte sich sowohl, dass die Gedenkstätte direkter Austragungsort machtverstrickter Erinnerungskultur ist als auch wie zerbrechlich und umkämpft das Erinnern an queere Menschen auch im Jahr 2024 – noch oder wieder vermehrt – ist.
In unserer Begleitbroschüre finden Sie alles zu unserem Projekt: Begriffsbestimmungen, Projektgenese, bildungswissenschaftliche Reflexion des Themas, Situation queerer Menschen vor, in und nach der NS-Zeit, Biographien von queeren und als homosexuell verfolgten Menschen die im KZ Melk inhaftiert waren: Broschüre queere Häftlinge im KZ Melk
VERANSTALTUNGEN
Am 12. Oktober fand im Rahmen des Projekts ein Spezialrundgang zum Thema "Queere Häftlinge im KZ Melk" statt. Darüber hinaus wurde ein Gedenkakt für die als homosexuell verfolgten Opfer des KZ Melk in der KZ-Gedenkstätte Melk abgehalten.
Den Abschluss des Projekts bildet die Präsentation des Projekts mit anschließender Filmvorführung des Films „Große Freiheit“ am Do, 24. Oktober 2024 um 19.30 Uhr in der Tischlerei Melk. Mehr Infos dazu gibt es hier.
In Kooperation mit: